Großzössen wird schmuck
Gemeinde Neukieritzsch und Interessengemeinschaft "Neue Helene" stellen einiges auf die Beine
Großzössen. Gemessen an der Einwohnerzahl ist Großzössen der drittgrößte Ortsteil der gewachsenen Gemeinde Neukieritzsch. Laut Statistik vom 31. Dezember 2010 wohnen im
Dorf 481 Einwohner. Großzössen ist aber auch der Ortsteil, in dem seit der Wende das Wenigste passierte. Nach der Eingemeindung Lobstädts nach Neukieritzsch am 1. April 2008 kurbelte der neue
Gemeinderat eine Menge an. Unsere Zeitung schaute sich gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Interessengemeinschaft (IG) "Neue Helene" Großzössen, Andreas Bodenlos, um, was sich bisher tat und was
ins Rollen gebracht wurde.
Von Cornelia Braun
Wenn man Lobstädt in Richtung Großzössen verlässt, kommt eine neue Straße in Sicht. So entstand zum einem die Umgehungsstraße von Großzössen in Richtung Kahnsdorf (Übergabe September 2007), und
zum anderem wurde die Lobstädter Straße neu gebaut (Übergabe 2010). "Dafür haben die Großzössener Bürger jahrelang gekämpft", sagt Andreas Bodenlos. Der Bäckermeister hat selbst in der Straße
sein Geschäft und ist froh, dass auch Parkbuchten entstanden sind, die ein geordnetes Abstellen der Fahrzeuge ermöglichen.
Mit der Umgehungsstraße verschwand aber auch der Durchgangsverkehr in Richtung Rötha, wovon die Bäckerei einst profitierte. Des einen Leid, des anderen Freud: Ruth (69) und Rolf (70) Seeling
jedenfalls freuen sich über die Umgehung. "Es ist viel ruhiger in Großzössen geworden", sagt Ruth Seeling. Denn durch ihre Straße, die Bergmannstraße, rollte einst der Verkehr nach Rötha. Beide
blicken schon voller Erwartung auf die Sanierung ihrer Straße. "Im September soll es wohl losgehen", meint Rolf Seeling. Vor der Baumaßnahme gebe es noch eine Bauberatung, in der die Bürger über
das Vorhaben informiert würden, wirft Andreas Bodenlos ein, der auch Gemeinderat in Neukieritzsch ist.
"Ich erinnere mich noch genau, wie wir als Kinder die Bergmannstraße mit unserem Schlitten hinunterfuhren", sagt der 70-Jährige, der einst den Metallbau Seeling führte, ein Traditionsunternehmen,
das von 1943 bis 2008 in Großzössen wirkte. Auch an die Zeit, als schwere Laster vom Tagebau die Straße entlangrollten, kann sich Rolf Seeling noch gut erinnern. "Manchmal saßen wir im Bett, wenn
sie vorbei donnerten. Das Geschirr wackelte im Schrank", ergänzt seine Frau. Und auch sauberer sei Großzössen geworden. "Während der Tagebau-Zeit konnte man nicht draußen sitzen und auch keine
Wäsche aufhängen", blickt Bodenlos zurück. Doch nun sind Seelings Rentner und genießen den Ruhestand. Direkt gegenüber ihrer Haustür hat die Gemeinde vier neue Bauplätze geschaffen, was beide
freut. "Das war einmal der zentrale Platz von Großzössen", weiß Rolf Seeling. "Hier sollen eines Tages vier Eigenheime mit etwa 1000 Quadratmeter Land Platz haben", informiert Gemeinderat
Bodenlos. Auf einem Baufeld wird bereits gearbeitet. Peter Bachmann, der im Ort wohnt, hat es gekauft. "Hier entsteht ein Eigenheim im Bungalow-Stil. Das ist nicht überall in der Gemeinde
möglich, weil dieser Stil ins Ortsbild passen muss", erklärt Bodenlos. Er hofft, dass sich bald weitere Interessenten für diesen idyllischen Standort mitten im Dorf finden.
Bald ein Baufeld soll auch die ehemalige Gaststätte "Zur Wiederkehr" an der Bergmannstraße werden. "Das Gebäude wird abgerissen. Weil sich hier der Standort der Sirene für den Ort befindet, ist
das Grundstück schwer verkäuflich", sagt Bodenlos. Es gebe schon erste Vorstellungen, wie die Fläche nach dem Abriss gestaltet werden soll. "Die Gemeinde hat vor, hier einen kleinen Park zu
schaffen. Gleichzeitig sollen Parkplätze für den gegenüberliegenden Friedhof angelegt werden", sagt der Großzössener. Und auch die IG "Neue Helene" will sich mit einbringen. "Wir haben uns auf
die Fahne geschrieben, die regionale Identität des ehemaligen Bergbaugebietes zu erhalten", erzählt Bodenlos. Er könne sich hier eine Gedenktafel vorstellen, auf der die dem Tagebau geopferten
Orte aufgeführt sind: unter anderem Kleinzössen, Hain und Kreudnitz.
Doch nicht nur bei diesem Projekt will sich die Interessengemeinschaft einbringen. Es ist auch daran gedacht, ein neues Feuerwehrgerätehaus mit einem Bürgerbegegnungszentrum gegenüber der Kirche
zu errichten. "In Großzössen gibt es keinen Ort, wo sich die Bürger regelmäßig treffen können, und auch das Feuerwehrgerätehaus gegenüber dem Billardcentrum zerfällt immer mehr", erklärt der
IG-Chef.
Unbefriedigend ist hingegen, dass die Lobstädter Straße 18 direkt am Eingang des Dorfes einen Schandfleck darstellt. Bodenlos: "Ein Unternehmer wollte das Gebäude kaufen, doch daraus wurde
nichts. Jetzt steht es zum Verkauf." Auch ein Stück der Lobstädter Straße ist in einem schlechten Zustand. Es gehört jedoch nicht der Gemeinde.
Optimistisch stimme ihn dagegen, dass nicht nur die Bergmannstraße, sondern auch die Straße des Friedens ausgebaut werden soll, erläutert Bodenlos. "Damit wird unter anderem auch die Zufahrt zum
Rittergut verbessert, auf dem Feste stattfinden. Das Nächste ist übrigens der Weihnachtsmarkt mit Lagerfeuer." Den will die IG "Neue Helene" am 3. Dezember durchführen.
Großzössen wurde bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts "Zessen" geschrieben. Zessen hatte 242 Einwohner, die sich vorwiegend vom Ackerbau ernährten. Der Ortsname geht auf die sorbische Sprache
zurück.
1350 wurde Großzössen in Urkunden erwähnt.
Kleinzössen, 1948 nach Großzössen eingemeindet, musste 1971/73 und 1976 die Mühle der Kohle weichen.
Der Abbau der Braunkohle führte zur Ansiedlung von Arbeitskräften. 1907 wurde die Aktiengesellschaft "Dora und Helene" gegründet. Zu ihrer Unterbringung entstanden 1909 im Ort fünf Wohnhäuser mit
34 Wohnungen und einige Baracken. 1909 gab es 450 Einwohner.
Den Höchststand der Einwohnerzahl erreicht Großzössen 1956 mit 1450.
Vom 14. bis 19. Mai 1959 feierte Großzössen seinen 850. Geburtstag.
Andreas Bodenlos ist nicht nur der Bäcker im Ort, sondern steht auch an der Spitze der Interessengemeinschaft "Neue Helene". Der Verein wurde am 9. Februar 2009 in Großzössen gegründet und verfolgt den Zweck, die regionalen Interessen und Belange seiner Mitglieder wahrzunehmen und die Region zu fördern. Fotos (5): Cornelia Braun
Vier Bauplätze gibt es mitten im Dorf. Ein Grundstück bebaut derzeit ein Großzössener.
Am Ortseingang in der Lobstädter Straße 18 befindet sich ein baufälliges Haus. Das Grundstück steht zum Verkauf.
Ruth und Rolf Seeling sind im Ruhestand. Vor drei Jahren schlossen sie den Innungsfachbetrieb Metallbau Seeling.
Die Sirene im Ort steht an der Gaststätte "Zur Wiederkehr".