Vom zeitigen Anfang und Ende - Schule in Großzössen

 

Über die Schulen in unseren Dörfern gibt es keine zuammenfassende überlieferte Chronik. Ihre Wurzeln in unserer Region liegen in den Händen der Kirchen. In den Dörfern war der Pfarrer oder Küster auch der Lehrer. Die Religion stand im Vordergrund. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde das Schulwesen der Kirche überlassen.
Überliefert ist, dass es um 1600 für Kinder in Kleinzössen und Großzössen Unterricht gab. Vermutlich in einem Häuschen, das zur Großzössener Kirche gehörte und dicht neben ihr stand. Der Unterricht beschränkte sich auf wenige Stunden an ein bis zwei Tagen in der Woche – im Sommer während der Erntezeit fast gar nicht. Vermutlich gegen 1580 übernahm ein Kirchner den ersten Unterricht. Er tat seinen Dienst unter der „Inspection“ des Zöpener Pfarrers und des jeweiligen Patrons (Rittergutsbesitzers). 1837 wurden die Kleinzössener Schüler offiziell nach Großzössen eingeschult.
Ab etwa 1864 liegen Wochenberichte der Schule in Großzössen vor. Daraus ersieht man den Stundenplan bis 1875: Catechismuslehre, Biblische- und Religionsgeschichte, Bibelkunde, Sprachunterricht, Recitieren, Gemeinnützige Kenntnisse und Singen. Dann kamen Rechnen und 1891 auch Turnen dazu. 1875 gab es zwei Schulklassen. In Klasse 1 waren die Schuljahre 5 - 8, in Klasse 2 gingen die Schuljahre 1 – 4.  
1880 wurde in Großzössen eine Schule mit einem Zimmer und einer Kantor-Wohnung dicht neben dem alten Schulhaus gebaut, das danach abgerissen wurde. 1896 wurde Kleinzössen in Großzössen eingepfarrt, damit war der zusammengesetzte Schulbezirk geschaffen.
Um 1900 übernahm der Staat die Besoldung der Lehrer – auf dem Land von 1.668 Mark im Jahr.

Brikettfabrik und Schule Großzössen
Der 1. Weltkrieg hinterließ keinen Niederschlag im Klassenbuch, bis auf eine 1914 durchgeführte Rote-Kreuz-Sammlung. 1917 kontrollierte zum letzten Mal ein Oberkirchenrat die Schule, 1919 fällt das Katechismusfach lt. ministerieller Verordnung weg, die Stunden werden für Naturgeschichte verwendet.

Mit dem Anlaufen der Brikettfabrik 1906 wuchsen auch die Schülerzahlen. Dies bringt immer wieder bauliche Veränderungen mit sich. 1921 bis 1924 – in schweren Inflationsjahren - wird daher eine neue Schule mit 4 Klassenzimmern neben der bisherigen errichtet. Nunmehr gingen hier 180 Schüler und 5 Lehrer ein und aus.
Aus den Jahren vor und während des 2. Weltkriegs ist wenig über die Schulgeschichte in Großzössen bekannt. Aus unseren heutigen Geschichtskenntnissen können wir selbst manches herleiten. Daher ein Zitat aus besagter Festschrift: „Der Übergang von der Weimarer Scheinrepublik zur braunen Diktatur muss an der Schule wenig Schmerzen gemacht haben, denn 1938 finden wir wörtlich verzeichnet: 10.9. - Viele Leute sind in dieser Woche zum Reichsparteitag nach Nürnberg gefahren.“ (x)

Nachkriegszeit und Veränderungen
1946 wurde die Schulreform in der Sowjetischen Besatzungszone durchgeführt. Alte Lehrkräfte mussten den Schuldienst verlassen – auch in Großzössen. Neulehrer wurden eingestellt. Ein grundlegender Wandel der Bildung und Erziehung wurde angestrebt. Gleiche Bildungschancen wurden über Klassen-, Geschlechts- und soziale Unterschiede hinweg zum bildungspolitischen und pädagogischen Programm. Schulgeldfreiheit galt für alle Kinder.
Die ersten Schulleiter nach 1945 hießen: Herr Wilkus, Herr Jödicke, Herr Seyfehrt. 1948 wurde der Pionierverband als Teil des sozialistischen Schulsystems gegründet. Damit begann auch die Zeit der Ferienspiele. (Faksimile Ferienchronik, siehe unten)

 

Ende der 60er Jahre trieben Schulleiter Johannes Böttcher und sein Stellvertreter Kurt Wolf den Ausbau der Schule und einen Anbau voran. Dieser Anbau mit weiteren 5 Unterrichtsräumen, einer Turnhalle, Umkleideräumen, Sanitätsraum und Büros für den Direktor und eine Sekretärin, wurde 1972 eingeweiht. Damit konnte auch der Schulbetrieb von 8 auf 10 Jahre umgestellt werden. Die Schule in Großzössen war nun eine Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule. Die Großzössener und Kahnsdorfer Schüler mussten nicht mehr die 9.und 10. Klasse in Lobstädt besuchen.
In der alten Schule waren Schulhort und Schulküche untergebracht.

Karin Dietrich (Foto links), Jahrgang 1950, besuchte ab der 7. Klasse die Schule in Großzössen. Sie studierte später am Institut für Lehrerbildung in Altenburg Unterstufenlehrerin. Gleich danach begann sie ihre Lehrertätigkeit – in der Großzössener Schule.
„Natürlich war es eigenartig, plötzlich stand ich auf der anderen Seite. Ich durfte meine alten Lehrer duzen – das war ungewöhnlich für mich und irgendwie war ich auch stolz.“
Johannes Böttcher war noch bis 1978 Schulleiter. Er hatte auch die Namensverleihung „Hans Beimler“ initiert, die 1975 stattfand. In den folgenden Jahren wechselten die Schulleiter öfter: 1978 bis 1980 war dies Frau Liebezeit, 1980 bis 1984 Hans-Jürgen Bieler.
1984 übernahm Karin Dietrich die Schulleitung. Zuvor war sie bereits 10 Jahre Stellvertreterin. Sie blieb Leiterin bis 1992. Noch heute erinnert sie sich an ihre Schuljahre. „Wir waren ein gutes Kollektiv, das sich sehr für die Kinder und die Schule engagierte. Und es gab auch eine enge Zusammenarbeit mit der Elternschaft.
Patenbrigaden der Braunkohlenwerke, des Landtechnischen Anlagenbaues und der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Kahnsdorf unterstützten uns wie selbstverständlich.“

Zu ihren Zeiten lernten 150 bis 180 Schüler in Großzössen. Natürlich stand das Lernen im Vordergrund, aber auch in der Freizeit war stets was los. Drei Hortnerinnen sorgten für Hausaufgabenbetreuung und abwechslungsreiche Nachmittage. Die erste und die zweite Klasse machten in einem eigens ausgebauten Raum Mittagsruhe. In der Küche wurde täglich gekocht – und das für 55 Pfennige Essengeld. In den Sommerferien organisierten alle Mitarbeiterinnen der Schule drei Belegungen Ferienspiele.

Das neue Kapitel währt nur kurz
Mit der Friedlichen Revolution 1989 und der Einheit Deutschlands wurde ein neues Kapitel im Bildungswesen aufgeschlagen. Schule und Gemeinde kämpften darum, Mittelschule zu werden - ohne Erfolg. So hatte die Großzössener Schule seit Mitte 1992 nur noch 4 Klassenstufen, war also Grundschule. Die Neuordnung der Schulbezirke und allgemein sinkende Schülerzahlen führten letztlich im Jahr 1997 zur Schließung, obwohl die Grundschulklassen mit jeweils ca. 22 Kindern groß genug waren. Die meisten Kinder wechselten in die Grundschule nach Lobstädt.

Ein großes Fest am letzten Schultag
Dagmar Rose (Foto rechts) war Schulleiterin und Sportlehrerin der Großzössener Grundschule von 1992 bis 1997. Zu ihrem Team gehörten zu anfangs 5 – Frau Pisosek, Frau Clauß, Frau Graichen und Frau Schumann - später vier Lehrerinnen sowie Sekretärin Inge Schumann und zwei „Engel“ – Frau Patzschke und Frau Horbach, die sich um die Hausmeisteraufgaben kümmerten.
Dagmar Rose erinnert sich an den letzten Schultag, Mittwoch, den 16. Juli 1997: „Der Tag begann mit der Zeugnisausgabe. Danach feierten wir alle ein großes Abschlussfest im Garten, bei dem uns auch die damaligen Eltern unterstützten. Es gab Spiele, Bastelstraße, Hüpfburg und Rutsche - Pfannkuchen und Roster zum Essen.“
Noch heute lobt Dagmar Rose das Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und der Eltern. „Wir waren ein gutes Team.“
Zu ihren abschließenden Arbeiten gehörte es, die Grundschule „in Kisten zu verpacken“ und den Transport in die Schule nach Lobstädt bzw. in das Gemeindearchiv Lobstädt zu veranlassen. Für Dagmar Rose verlief das Berufsleben in Leipzig und in Neukirchen nahtlos weiter, bevor sie 2007 in den Ruhestand ging.

 

In die Grundschule Großzössen zog anschließend ein Berufsausbildungzweig der Augsburger Lehmbaugesellschaft ein. Seit 2011 ist das Gebäude ein Wohnhaus mit 8 Wohneinheiten.
Text und Fotos: Ilona Hensel, Großzössen (2023)

Faksimile „Ferienchronik der POS Hans Beimler, Großzössen, 1983“
1948 wurde der Pionierverbandes als Teil des sozialistischen Schulsystems in der DDR gegründet. Und damit begann auch die Zeit der Ferienspiele. Der Großzössener Schule standen jährlich 1000 Deutsche Mark dafür zur Verfügung. Dieses Foto zeigt die Ferienchronik der POS Hans Beimler, Großzössen, 1983. Hier finden sich tagebuchartige, illustrierte Einträge zu 22 Veranstaltungen in den Ferienspielen vom 6. bis 22. Juli 1983 und weiteren zwei Belegungen. Die Schülergruppen besuchten beispielsweise das Haus der Pioniere und das Museum in Borna. Sie legten die Goldene Eins in der Verkehrserziehung ab und waren im Schulgarten aktiv. Es gab eine Federball-Meisterschaft und einen Badetag im Neukieritzscher Freibad. Hier wurde manchen auch das Schwimmabzeichen verliehen.
Dieser Chronik liegt die Quittung einer Teilnahmegebühr von 20 Mark je Kind bei. 

2011 kaufte die Familie Monse das alte Schulgebäude und sanierte Grundstück und Gebäude umfangreich. 

Quellen:
- Aus Aufzeichnungen des ehemaligen Neukieritzscher Chronisten Ernst Erler und aus dem Heimatbuch „Die Fürstentümer“ von Rolf Ferstl aus dem Jahre 1994.
- Chronik von Zöpen, Kahnsdorf, Pürsten von 1945 – 1956, zusammengestellt von Gerhard Brand im Jahre 2005/06
- 850 Jahre Großzössen, Festschrift anlässlich des Heimatfestes vom 14. bis 19. Mai 1958, herausgegeben vom Rat der Gemeinde Großzössen (x)